Donnerstag, 13. Dezember 2012

Morgennebel

Der Winter ist schon lange eingebrochen, doch es gibt im Stapel meiner Papiere noch eine kleine Herbstreminiszenz, die etwa den Übergang markiert, kurz vor dem unendlichen Weiß des Schneetreibens und der fühlbaren Kälte. Sie soll noch etwas Wärme in die vorweihnachtlichen Stuben bringen. Hier ist sie, in alkäischer Form:



Morgennebel

Ergießt im Schatten meerrauschend Nebels sich
Die Luft, zerfließt im Atem die Sehnsucht bald
Da schon das Blau zu ahnen, dort, ist,
Wo sich die Schleier der Sonne öffnen?

Noch bergen sie die tageserfahrne Glut
Am nächtigen Grund, der trübe dem Morgen harrt,
Dass in die Kälte, leuchtend, ganz die
Herbstliche Wärme in Strömen fahre.

Samstag, 27. Oktober 2012

Winterton

Pünktlich zum ersten Schneefall des Spätjahres 2012, hier ein leichter Winterton in Blankversen (inspiriert von Sloterdijks Zeilen und Tage):

Winterton

Wo ist der Wintermensch in diesem Meer
Aus Licht, das gelblich Freude über uns
Ergießt und alles kräftig in die Blicke
Hineinlegt, wirft, und Fülle strebend treibt?

Nicht herrscht die Sehnsucht nach der Farbe mehr,
Die im Entsättigten des schneegen Schleiers
Aus Sommerhoffnung Winterleiden macht --
Ein leerer, idealer Raum für Träume.

Dienstag, 2. Oktober 2012

Herbstton

Zum Herbstanfang eine kleine Darstellung momentaner Schaffensprozesse:

Herbstton

Der dunkle Herbstton sinkt in meine Lieder;
Kein Odenmaß, kein Distichon erklingt
Und kein elegisch Ton, der Jugend singt,
Vergehende Blüte, springt zu dir hernieder.

Doch ist es Trauer nicht, die schwerer Glanz
Aus satten Farben himmelheischend zieht;
Kein Leben, das der Kälte einwärts flieht
Sieht so gekrönt sich mit erhabenem Kranz.

Noch eh vom Horizont die Schleier fallen,
Um aus den Weihern, Gassen, Wiesen bald
Zu steigen, eh die Abendschatten wallen

Um jedes Heim, um jeden vollen Wald:
Trinkst du mit tiefem Atem noch die Luft
Die zwischen Erd und Himmel schwebt als Duft.

Sonntag, 16. September 2012

Ruhe

Als letzter Teil dieser kleinen September-Trilogie folgt eine weitere sonntägliche Spinoza-Reminiszenz, nach einem sommerlichen Sturm entstanden.

Ruhe

Ruh Dich aus vom regen Sturme,
Streck Dich in das feuchte Licht;
Sieh, schon glänzt am kleinen Wurme
Was sich groß dem Blick verspricht.

Doch noch künden Wolkentürme
Dunkel Wetterumschwung an,
Bis das Blau vorüberstürme
Zieht’s in Langsamkeit heran.

Bilder!, seht, die Helle droben
Zeichnet fein sich ins Gesicht;
Grad am Rande, wo verschoben
Scharf das Maß ins Freie sticht.

Fülle schenkt’s dem Auge dann,
Tief ins Weite senkt sich’s nieder;
Was der Schöpfung Lieb’ ersann:
Froh erhebt’s Gefühltes wieder.

Mittwoch, 12. September 2012

Unruhe

Nach Into the Wild:

Unruhe

Ganz ohne Klang ist mir, als hört’ ich mehr,
Als öffnete ohn’ Umweg sich mein Geist
Und lauscht’ den schwingend Tönen, die gespeist
Von einem windend Strome um mich her

In ein’ger Weis, in Eintracht bald zerfließen;
Nur hier und da sticht leise ein Geräusch,
Das frei von meinem Tun, Natur ist, keusch,
Dazwischen, wo im Keime Bilder sprießen.

In diese Wildnis will ich also wandern,
Will ferne fremder Worte Sprache sehn,
Die keine Zunge je berührte; andern

Vergessnen Stimmen folgen und vergehn:
Wo nur Empfinden bleibt und weiter nichts,
Bin ich im Auf- und Untergang des Lichts.

Dienstag, 11. September 2012

Sonntag

Eine kleine Sonntagsmeditation auf Spinoza:


Sonntag

Ich brauche nicht den Klang von Turmgeschossen
Zu wissen, dieser Tag allein ist gut.
Vielleicht auch heilig, lebt er von dem Blut,
Das aus dem ewgen Anschaun still geflossen.

Wer einmal so sein Tun der Ruhe opfert,
Sich für die Welt und nur der Welt hingibt --
Erfährt, wie sehr das Kreuz sein Innres ändert,
Bis er bald Gott in allem sieht -- und liebt.

Dienstag, 15. Mai 2012

An der Küste der Eintracht

Wenn, an einem unscheinbaren Abend, der jäh an einem küstigen Felsen endete, der Kapitän des großen Kreuzfahrtschiffes, im Chaos des Schlages sich bar seines ihm von der See übertragenen Amtes erblickend, doch seiner Tätigkeit nachginge hin zu den Notbooten, vorbei an seinen Offizieren, die wild den Passagieren ihre maritimgesellschaftliche Selektion gestikulieren, Waffen wedelnd, und er, unversehens, von einem plötzlichen Ruck beim Abfieren eines dieser Lebenskähne in den Rumpf desselben zwischen seine Gäste geworfen sich fände, grausam seines überführenden Ruders beraubt --
Würde er, den Kommandanten der Küstenwache noch nachdrücklich im Ohr, sich in die fasttitanischen Fluten stürzen, zwischen den hilferingenden Schreien hindurch zurück schwimmen, das Steuer den ängstlichen Klauen der Nacht zu entreißen, als Rückgrat zu nutzen das schief liegende Schiff, dem all seine Freude entfließt, dem feuchten Skelette? Würde er sich der ihm naturgegebenen Freude verwehren, um ernstlich das eigene Bild im näher rückenden Spiegel zu suchen?

Und wenn nun ein Sturm käme, das Bild hinfort trüge mit all seinen geschrieenen Worten, neue erscheinen ließe vom untergehenden Marktplatz nicht nur in der Mitte des Dampfers, von Lügnern und Kriegern, freiheitsliebenden Räubergendarmen --
Es wäre ein flüchtiger Traum, ein unter Tausenden aufstrebender Klick, der sofort in den Wörterfluten der Zeichen ertrinkt wie die Armen im Wasser, dort, fern der Küste der Eintracht; wenn nur die bildreichen Flashbacks noch warten.

Sonntag, 8. April 2012

A Tribute to Martin Bidney

Zu Beginn dieser Woche war mein guter Freund Martin Bidney zu Gast in der Sendung Off the Page der amerikanischen Radiostation WSKG, anlässlich des National Poetry Month 2012 (April). Eine Stunde lang sprach er über sein Dichten, rezitierte eigene Gedichte und stellte sein neues Buch Divine Adventure - The fantastic Travels of Dante vor, eine Adaption der Göttlichen Komödie für Kinder.
Zum Wesen der Sendung gehört der Einbezug der Zuhörer, die noch während der Sendung eigene Gedichte einsenden können. Also sandte ich ihm einen kleinen Gruß, der ihn noch während der Sendung erreichte:

A Tribute to Martin Bidney

This gentle vergil-voice will lead the youth through hell!
In purgatory’s flames only his words will shine
Above, and all that, versifying, we decline
Is speechless stuttering -- in dialogic dwell.

To see those lightning words above this mountain path
We have to leave this flaming sea with hoping hearts
To teach our children: alas, seven-folded starts
The way to heaven -- poetry will ease your wrath.

And then you’ll find your everlasting love, a flow
In sublime virtues-spheres, a world is build of words
Surrounding you with wisdom-seeking, holy glow.

To feel what in this lightning-vision you have heard
With all your being, all of your humanity:
This is the godly secret, that’s what set you free.


Hier ist der Link zur gesamten Sendung (audio direkt unter dem Titelbild):


Mein Tribute ist etwa ab 17:50 Min. zu hören.


Martins Arbeit sei allen guten Geistern empfohlen!

Sonntag, 25. März 2012

Auf der Suche

Endphase Philosophie-Examen!
Ein bisschen was für Zwischendurch, wenn ich dem Büchermeer eigene Worte abzuringen mich bemühe:

Letzte Frist

Um mich herum ist nur noch Text gebreitet;
Er dringt heran in wellenhebend Lauf
Bis an den Hals bis über ihn hinauf
Wo mit dem Kopf um Anerkennung streitet,
Um Einlass, was doch sonst willkommen ist.
Es legt sich auf die Sinne, letzte Frist.

Dienstag, 24. Januar 2012

Texte in der Welt (2)

Auch der zweite nun folgende Text ist in der 4. Ausgabe der Kalliope veröffentlicht worden. Ebenso an Hölderlin angelehnt (mein Tübinger Fensterblick - über das nordwestliche Tal - ist fantastisch!) findet sich hier eine Ode im 3. asklepiadeischen Odenmaß. Ohne gleich eine Poetiklektion zu halten, komme ich gleich zum Ende des Einführungstextes. Erfreulicherweise lässt sich hier, gerade in der Erfüllung, mehr Wahres finden als bei vielen der ebenso eher abstrakten Texte aus meiner Hand. Bitte schön:


Frühlingstraum

Klagend schweifet mein Blick wieder hinaus zu dir,
Ewig Liebende, ach! Sehnenden Herzens Schmerz
Gänzlich auskostend find’ ich
All die Wunder, die prächt’gen, dort!


Leise rauschet der Bach, Heimat des lust’gen Fisch’s,
Leben spendende Quell’ aller der Tiere auch,
Zwischen Steinen und Gräsern
Durch das Tal hin zum Horizont;


Sachte säuselt er dort. Noch wirkt der Frühling hier:
Bienen sammeln den, ach, köstlichen Nektar auf,
Summend, springen von Blum’ zu
Blume, duften sie doch wie nie,


Glanzvoll schmückend das Tal. Tausende Farben strahl’n
Herrlich dort mir zum Gruß! Sänk’ ich nur tief ins Feld,
Ewig würde ich schlafen,
Friedlich träumend im Blütenmeer.


Doch nicht einzig ist dies! Siehst du denn nicht den Wald?
Dicht bekleidet er jetzt alle die Berge dort,
Schutz der grünenden Auen,
Majestätischer Bäume Hort.


Stetig ziehen von ihm singende Vögel, frei
Fliegend über das Tal, weit in das Land hinaus,
Um ihr eigenstes Lied in
Alle Winkel der Welt zu streu’n.


Ach, so hole doch mich, Mutter Natur, zu dir,
Weiß beflügelt, und birg in deinem Schoße mich,
Ewig liebende Göttin,
Eh das Schicksal uns trennen mag!

Texte in der Welt (1)


Der folgende Text ist schon etwas älter. Etwa im Juni 2008 entstanden, ist er seit 2009 in der Welt unterwegs, zugänglich geworden durch die inzwischen vergriffene Ausgabe 4 der Kalliope. Zeitschrift für Literatur und Kunst. des Bonner Bernstein-Verlages.
Entstanden ist er an zwei hölderlingeprägten Abenden, an denen ich mich etwas in den Hyperion vertiefte. Hier und da merkt man es wohl am Stil. Der Text sollte aber für sich selbst sprechen, also bitte:


Brief an den Freund
Mein lieber Freund!
Lange ließ ich Dich warten auf eine Nachricht von mir, denn lang bin ich fort gewesen, fern der Menschen Gefilde, deren Küste ich rein und unscheinbar hinter mir ließ. Doch die Erinnerung, die treibende, zog mich zurück! Vieles ist seitdem geschehen, und schwer nur vermag ich’s in Worte zu fassen. Sei unbesorgt, mein Lieber, ob meines Gemüts. In großer Trauer ist’s oft ein kleiner Funke, der dem Geiste wieder Hoffnung gibt. Ich bitt’ dich, sei es, gib mir Halt!
Wie nur verließ ich Dich und Sie, die Geliebte? Zart brachen die Wellen an schützenden Riffen, die Sie sich baute als Schmuck, glänzend im wohligen Schein der Sonne, der goldenen, die Leben schenkte der finsteren Welt. Und Strände, strahlend weiß wie die Federn der Seevögel und ebenso unschuldig rein, erstreckten sich längst des azurblauen Meeres, tänzelnd im güldenen Schein der Sonne von Welle zu Welle und zitternd und springend unentwegt. Glänzend tiefer Einklang entstand da zwischen Beiden, Himmel und Meer. Und wer es sah, der tat es ihnen gleich.
Ach, und was verbarg nun die seichte Küste, geliebte Heimat! Endlos ergoss sich das Grün in die Weite, streckten sich all Deine Kinder, die Vielbezweigten, den Äther empor, wallende Täler und Berge bekleidend! Wie dufteten all Deine Gärten - heilig waren sie mir, die strahlenden Weiden - , angefüllt mit Blumen aller Art, umschwirrt von lieblichstem Getier und Blütenstaub, den der Wind, der heilende, aufgewirbelt, der die leichtfert’ge Seele mühlos hinwegträgt ins endlose Land, fernab der Dinge, der Welt! Wie hab ich ihn lieb gewonnen, den kühlenden, schmeichelnden Hauch der ewigen Mutter! Friedlich erstreckt’ sich das Leben in Dir, Heilige, tänzelt das All zwischen sich, alles sich gleichend und ungleich zugleich. Es trägt der Wind hinfort das sterbende Blatt, fern seiner Heimat, und dort wo es fällt ergreift es der Wandel und bald darauf schöpft es sich neu, immerwährend sich wechselnd. Ach, so warst Du mir stets eine neue Vertraute, Gleiches mit Gleichem aufwiegend, stetig zerteilend und immer ein liebender Hort meiner Seel’.
Du zeigtest Dich friedlich, lebend und fließend, und tobtest und strittest doch innerlich zu gleichen Teilen. Stürmisch ruhte der Wandel in Dir, hier und da sich zeigend, und feurig und flammend verzehrtest Du alles von Dauer und schufest es neu.
So trat denn Dein Bote, der kühle Wind, innerlich brennend zu mir, und fegte hinfort mit lächelndem Blick den träumenden Geist, aus Dir und in Dich, gänzlich wandelnd das Sein. So entsagte ich Allem und Nichts, wurde Eins und Vieles und fand wieder zurück zur lieblichen Heimat, zu Dir!
Und ach, wie ist mir nun, da ich an Dich herantrete, den Blick sehnsuchtsvoll in Deine Richtung gelenkt! Groß ist der Schmerz, dich geschändet am Boden zu sehen! Grausam zugerichtet bist Du, ich weiß nicht wann und wie es in meinem, unserem Taumeln geschah! Überall ragen Gebilde hervor, steinern und eisernen Blicks, und all Deine Kinder, die Vielbezweigten, streben als Rauch aus den Schlünden der gierigen Schluchten dem Äther entgegen! Vernarbt und zerfurcht ist Dein Antlitz, in tiefe Falten geschlagen. Dicke stählerne Fäden zeigt es, und wieder und wieder fahren lange Nadeln unermüdlich den leblosen Körper entlang, auf und ab sich wiegend, alte und neue Wunden reißen sie auf und schließen die Bahnen aufs Neue. 
Sag, was ist mit Deiner Küste, der strahlenden, geschehen? Nirgends ein Zeichen der Reinheit, des heiligen Glanzes, versagt der Genuss der Sonne, die verdeckt hinter graugeschwängerten Wolken schläft. Geblendet und fahl liegt sie da, die Küste, vom Himmel entzweit, unheimlich die neu gewachsenen knöchernen Finger hinaus in die schwarze See gestreckt, fahrig und unbestimmt, doch drohend dem greisen Gotte am Grund, dem Erdenerschütterer. Wild peitschen die Wellen dagegen, brandet die dunkle Gewalt gegen künstliche Klippen, ein letztes Aufbegehren, und doch treiben kleine Flecken darauf, als vermögen sie dem Strome noch lange standzuhalten.
Nur hie und da ein weißes Zucken, der Flügelschlag der letzten kleinen Geister. Lachend zieht ein Schwan am Himmel vorbei, verschwindet am Horizont.
Wo ist nur Dein Ruf, der mir vorher das Herz und den Geist erfüllte? Das innere Feuer ist längst schon erloschen, kalt ist es und bist Du, tausende Tode gestorben, einen für jeden Schlag des grausamen Hammers, der durch Menschenhand auf Dich hernieder fiel wie die Blitze des alternden Gottes im Berge, doch ungleich zorniger und ohne Erbarmen. Reglos liegst Du da, sterbend gestorben, und nur auf Dir dröhnt und tobt es noch, doch anders als vorher, oberflächlich und leer. Du bist nass, es hat geregnet, oder vielleicht sind es auch nur die letzten Tränen, die fielen, deinem leisen Abschiede zum Geleit.
Rau und kalt fegt der stumme Wind um mich herum, peitscht mir die salzige See ins rußgeschwärzte Gesicht. Irgendwo erschallt ein dünnes, kindliches und doch grausiges Gelächter.
Waren es meine Tränen, die sanft als Leichentuch Dein eh’mals stolzes Angesicht bedeckten?
Wo ist das Leben, wo die Geselligkeit in diesem Sumpf aus Stein, Stahl und Mensch?
Mit einem Finger fange ich eine Träne auf, die mir über das Kinn rinnt, koste sie und gebe den Rest davon Dir, streiche ihn sanft mit der Hand über Dich, denn zwischen dem Asphalt entdecke ich einen Rest von Dir, wo einst die schönsten Blumen wuchsen und jetzt das Unkraut grässlich sprießt, und wende mich ab, eingehüllt in Erinnerungen, um auf die Suche zu gehen, nach Dir und Mir selbst, unbeschmutzt und rein.
Und so finde ich Dich vielleicht in mir, oder Du mich in Dir, denn Alles ist schließlich Eins, weitab des toten Körpers, der da liegt, der Schändung preisgegeben, unwissend um höheres Gut, oder was meinst Du, Geliebte?