Sonntag, 3. Dezember 2017

Am Bahndamm

Der Mensch wirkt überall. Er macht es der Natur gleich, die dieses Jahr durch mehrere Stürme deutlicher als je in ihr Bild eingegriffen hat. Der Mensch tut sein Übriges dazu. Nicht immer ist es verständlich.


Am Bahndamm

Die Starken stehen an den Rand gestellt,
Von dort aus lässt sich alles überblicken:
Der Wald, die Schienen, ja, die ganze Welt.
Und eine Kraft muss sie zu Boden drücken;

Muss an den Stamm mit ihren Händen gehen,
Die Rinde hoch, die Rillen tief durchwehen
Und bald den Fuß mit aller Kraft erfassen,
Um sie dem Boden tüchtig anzupassen;

Muss aus den Splittern reiche Erde heben,
Verpilzt, verflochten mit Getier und Moos,
Um Menschenhand in die Natur zu weben:
Was wachsen will wird heute selten groß.

Mittwoch, 29. November 2017

Im Schattensaal

Ich lese gerade im Zug, auf dem Weg zur Arbeit, viele Gedichte. Brecht, George, Trakl. Sie inspirieren mich massiv. Als Reaktion auf Stefan Georges "Im Park" entstand diese kleine Atmosphäre, ein Zwiegespräch mit ihm.

Im Schattensaal
Nach Stefan Georges „Im Park“

Ein weiter Saal, durchs Fenster fällt das Licht,
Dem Staub in seiner Mitte Tanz zu schenken,
Um alle Blicke nur dorthin zu lenken,
Wo alter Geist zu deinem Geiste spricht.

Dann wachst du auf in diesem Schattensaal,
Erkennst die hohen, himmelsreifen Fenster
Und ihr Skelett, das feinere Gespenster
Als Muster auf den blanken Boden malt.

Doch ist kein Tisch, kein Stuhl um dich zu betten,
Was dort geschieht musst du im Stehen tun.
Kein Blatt Papier kann die Gedanken retten,

Die reif an deinem Dichterbaume ruhn.
Doch füllen sie mit jedem Blick dich ganz
Und führen dich, die Hände dir zum Tanz.

Sonntag, 26. November 2017

Deutscher Herbst

Nach den letzten Wahlen im September 2017, die das vermutete starke Wachstum rechtsnationaler Wähler bestätigten und mit dem Einzug ins Parlament quittierte, waren die Reaktionen vielfältig: meist resignierend, da abzusehen; an den Stellen, die darauf hätten reagieren können, gespielter Schock. Entsetzen in manch hoffnungsvollen Gemütern, Gleichgültigkeit bei ebenso Vielen.
Das folgende Gedicht entstand genau zu dieser Zeit.


Deutscher Herbst

Es rauscht im Baum, ein Wind fährt durch die Äste,
Erzittert noch die letzte, trübe Frucht;
Vorbei der Frühling für die stillen Gäste,
Die noch gehofft auf eine späte Flucht.

Dem blieb die Flucht in unerreichte Ferne,
Der früh den Sturm an seinem Duft erkannt;
Noch war der Himmel ihm so voller Sterne
Und ohne Schatten, ach, so manches Land.

Da nahm er Mut und das Papier zur Hand,
Die Menschen so von ihrem Wahn zu wecken,
Um noch den kleinsten Schatten zu entdecken
Und hat sich selbst nur bitterlich verbrannt.

Er sah sie nicht, die trügerische Ruhe,
Die laut in offnem Schweigen sich gefiel;
Im Trauermarsch verstummen viele Schuhe,
Verstummen weit vor ihrem letzten Ziel.

Auch er ist noch in Dunkelheit geblieben,
Ließ alle Hoffnung mit den Schiffen ziehen.
Auch er hat noch von Durchhalten geschrieben
Und Glücklichen, die in die Sonne fliehen.

Donnerstag, 1. Juni 2017

Gewittermorgen

Ein Gewitter war es erst, wenn selbst das Licht noch schwer und voller Nässe ist und sich genau das langsam im Wind auflöst, die Leichtigkeit des Morgen zurück gewinnt.

Gewittermorgen

Noch wirkt nicht deine Kraft, du Strahlenreiche,
Nach jener Nacht aus Blitz und Donnermeer;
Noch liegen still und überfüllt die Teiche
Und Wolken da, die Wiesen feucht und schwer.

Nur leicht geht hier, wo vorher Hitze war,
Ein lauer Wind wie Finger durch die Gräser
Und kämmt das Feuer aus dem Blütenhaar
Der tauversprochnen, regenvollen Gläser.

Da fällt der Blick auf deine goldnen Zeichen,
Die einem Mosaike gleich entstehn
Und schweben, dort, wo Schatten sie verwehn;
Und will von diesem Glücke nicht mehr weichen.

Mittwoch, 15. Februar 2017

Vom Fehlen der Worte

Um beim Thema des letzten Eintrages zu bleiben: nach langen, trüben Wintern gleicht sich der Geist oft genug der Umwelt an. Weiß und rein, konturlos leer ist er, wenn seine Produktivität allein an die Anschauung gebunden ist, die über Wochen nichts als stechend helles Weiß und nicht einmal das fassen konnte. So auch im Umgang mit den Menschen. Wie soll man singen, was man nicht mehr kennt, was über die Phase der Sehnsucht hinaus schon ins Vergessen zu gleiten droht?
Es reicht schon die Ahnung neuer Blüte, verborgenen Lebens unter all dem Immergleichen, um die Worte zurück in die Hand zu locken.
Dieses Sonett ist vor drei Jahren in einer solchen Zeit der sich langsam füllenden Leere entstanden. Zwischen Winter und Frühling.

Vom Fehlen der Worte

Noch dringen keine Wurzeln in dich ein,
Die sonnenscheingetäuscht blind um sich greifen,
In ihrem Wunsch für Jemanden zu reifen;
Sie finden nur ein frostgeschrieben 'nein'

Im blassen Angesichte deiner Haut.
Von keinen Farben lässt du dich beschreiben,
Erinnerungen können dich nicht kleiden,
Dein Wesen wird im Rausch der Welt nicht laut.

Fänd Ruhe ich, dein stilles Herz zu fassen,
An meinem Klang es teilhaben zu lassen,
Ein Doppelschlag, der beide gleich bewegt:

Wer könnte jene Farben jemals hassen,
Das Blütenmeer, das unser Träumen hegt?
Die Ruhe such ich, die mich – uns – heimwärts trägt.

Sonntag, 22. Januar 2017

Dichterwerkstatt: Wintermorgen (Fragment)

Was Einem auf der morgendlichen Fahrt durchs verschneite Dresdner Umland auf dem Weg zu einer Prüfung nicht alles in den Sinn kommt...

Wintermorgen (Sonett-Fragment)

Die Nacht hat alle Blicke leergewaschen,
Hat alle Farben aus dem Raum gewischt
Und alles Dunkel, das im Licht erlischt,
Hat keine Schatten in den offnen Taschen.