Freitag, 29. März 2019

Reise ins Hinterland der Poesie – Ein Anfang

Reise ins Hinterland der Poesie – Ein Anfang

Erst wenn der Augenblick mit der Dichtung zusammenfällt – im Prozess des Dichtens wie des Lesens – dann schließt sich der Kreis.

Zwischen die Stunden
Denen die Sonne so fremd
Streut Tage der Mond
Sieh so lang waren sie nie
Die Schatten des Liebenden



Ein eisiger Flaum
Liegt ringsum auf den Ästen
Man möcht ihn fassen
Rot erblühte dann der Zweig
Von den Klingen des Winters



Zwei Spatzen in Rot
Zwitscherten vor dem Fenster
Über den Dächern
Gäbe es nichts zu pfeifen
Arm wär das lauschende Ohr

Sonntag, 3. Dezember 2017

Am Bahndamm

Der Mensch wirkt überall. Er macht es der Natur gleich, die dieses Jahr durch mehrere Stürme deutlicher als je in ihr Bild eingegriffen hat. Der Mensch tut sein Übriges dazu. Nicht immer ist es verständlich.


Am Bahndamm

Die Starken stehen an den Rand gestellt,
Von dort aus lässt sich alles überblicken:
Der Wald, die Schienen, ja, die ganze Welt.
Und eine Kraft muss sie zu Boden drücken;

Muss an den Stamm mit ihren Händen gehen,
Die Rinde hoch, die Rillen tief durchwehen
Und bald den Fuß mit aller Kraft erfassen,
Um sie dem Boden tüchtig anzupassen;

Muss aus den Splittern reiche Erde heben,
Verpilzt, verflochten mit Getier und Moos,
Um Menschenhand in die Natur zu weben:
Was wachsen will wird heute selten groß.

Mittwoch, 29. November 2017

Im Schattensaal

Ich lese gerade im Zug, auf dem Weg zur Arbeit, viele Gedichte. Brecht, George, Trakl. Sie inspirieren mich massiv. Als Reaktion auf Stefan Georges "Im Park" entstand diese kleine Atmosphäre, ein Zwiegespräch mit ihm.

Im Schattensaal
Nach Stefan Georges „Im Park“

Ein weiter Saal, durchs Fenster fällt das Licht,
Dem Staub in seiner Mitte Tanz zu schenken,
Um alle Blicke nur dorthin zu lenken,
Wo alter Geist zu deinem Geiste spricht.

Dann wachst du auf in diesem Schattensaal,
Erkennst die hohen, himmelsreifen Fenster
Und ihr Skelett, das feinere Gespenster
Als Muster auf den blanken Boden malt.

Doch ist kein Tisch, kein Stuhl um dich zu betten,
Was dort geschieht musst du im Stehen tun.
Kein Blatt Papier kann die Gedanken retten,

Die reif an deinem Dichterbaume ruhn.
Doch füllen sie mit jedem Blick dich ganz
Und führen dich, die Hände dir zum Tanz.

Sonntag, 26. November 2017

Deutscher Herbst

Nach den letzten Wahlen im September 2017, die das vermutete starke Wachstum rechtsnationaler Wähler bestätigten und mit dem Einzug ins Parlament quittierte, waren die Reaktionen vielfältig: meist resignierend, da abzusehen; an den Stellen, die darauf hätten reagieren können, gespielter Schock. Entsetzen in manch hoffnungsvollen Gemütern, Gleichgültigkeit bei ebenso Vielen.
Das folgende Gedicht entstand genau zu dieser Zeit.


Deutscher Herbst

Es rauscht im Baum, ein Wind fährt durch die Äste,
Erzittert noch die letzte, trübe Frucht;
Vorbei der Frühling für die stillen Gäste,
Die noch gehofft auf eine späte Flucht.

Dem blieb die Flucht in unerreichte Ferne,
Der früh den Sturm an seinem Duft erkannt;
Noch war der Himmel ihm so voller Sterne
Und ohne Schatten, ach, so manches Land.

Da nahm er Mut und das Papier zur Hand,
Die Menschen so von ihrem Wahn zu wecken,
Um noch den kleinsten Schatten zu entdecken
Und hat sich selbst nur bitterlich verbrannt.

Er sah sie nicht, die trügerische Ruhe,
Die laut in offnem Schweigen sich gefiel;
Im Trauermarsch verstummen viele Schuhe,
Verstummen weit vor ihrem letzten Ziel.

Auch er ist noch in Dunkelheit geblieben,
Ließ alle Hoffnung mit den Schiffen ziehen.
Auch er hat noch von Durchhalten geschrieben
Und Glücklichen, die in die Sonne fliehen.

Donnerstag, 1. Juni 2017

Gewittermorgen

Ein Gewitter war es erst, wenn selbst das Licht noch schwer und voller Nässe ist und sich genau das langsam im Wind auflöst, die Leichtigkeit des Morgen zurück gewinnt.

Gewittermorgen

Noch wirkt nicht deine Kraft, du Strahlenreiche,
Nach jener Nacht aus Blitz und Donnermeer;
Noch liegen still und überfüllt die Teiche
Und Wolken da, die Wiesen feucht und schwer.

Nur leicht geht hier, wo vorher Hitze war,
Ein lauer Wind wie Finger durch die Gräser
Und kämmt das Feuer aus dem Blütenhaar
Der tauversprochnen, regenvollen Gläser.

Da fällt der Blick auf deine goldnen Zeichen,
Die einem Mosaike gleich entstehn
Und schweben, dort, wo Schatten sie verwehn;
Und will von diesem Glücke nicht mehr weichen.

Mittwoch, 15. Februar 2017

Vom Fehlen der Worte

Um beim Thema des letzten Eintrages zu bleiben: nach langen, trüben Wintern gleicht sich der Geist oft genug der Umwelt an. Weiß und rein, konturlos leer ist er, wenn seine Produktivität allein an die Anschauung gebunden ist, die über Wochen nichts als stechend helles Weiß und nicht einmal das fassen konnte. So auch im Umgang mit den Menschen. Wie soll man singen, was man nicht mehr kennt, was über die Phase der Sehnsucht hinaus schon ins Vergessen zu gleiten droht?
Es reicht schon die Ahnung neuer Blüte, verborgenen Lebens unter all dem Immergleichen, um die Worte zurück in die Hand zu locken.
Dieses Sonett ist vor drei Jahren in einer solchen Zeit der sich langsam füllenden Leere entstanden. Zwischen Winter und Frühling.

Vom Fehlen der Worte

Noch dringen keine Wurzeln in dich ein,
Die sonnenscheingetäuscht blind um sich greifen,
In ihrem Wunsch für Jemanden zu reifen;
Sie finden nur ein frostgeschrieben 'nein'

Im blassen Angesichte deiner Haut.
Von keinen Farben lässt du dich beschreiben,
Erinnerungen können dich nicht kleiden,
Dein Wesen wird im Rausch der Welt nicht laut.

Fänd Ruhe ich, dein stilles Herz zu fassen,
An meinem Klang es teilhaben zu lassen,
Ein Doppelschlag, der beide gleich bewegt:

Wer könnte jene Farben jemals hassen,
Das Blütenmeer, das unser Träumen hegt?
Die Ruhe such ich, die mich – uns – heimwärts trägt.

Sonntag, 22. Januar 2017

Dichterwerkstatt: Wintermorgen (Fragment)

Was Einem auf der morgendlichen Fahrt durchs verschneite Dresdner Umland auf dem Weg zu einer Prüfung nicht alles in den Sinn kommt...

Wintermorgen (Sonett-Fragment)

Die Nacht hat alle Blicke leergewaschen,
Hat alle Farben aus dem Raum gewischt
Und alles Dunkel, das im Licht erlischt,
Hat keine Schatten in den offnen Taschen.

Montag, 27. April 2015

Sehnsucht

Sehnsucht

Der Abendhimmel glüht, die Flamme ist zu ahnen,
So nah am Horizont, dass er zur Wunde keimt
Von unsichtbarem Schlage, unbemerkt beweint
Von frühen Sternen dort auf ihren Tränenbahnen.

Darunter, ruhlos, regt sich Einsamkeit im Traum,
Spannt sich ein Blick in die bedeutungslose Ferne
Der Sehnsucht aus, in jenen hoffnungsvollen Raum,
Den ganz ein Herz umfasst, im Untergang der Wärme

Noch einmal diesen Tag durchs Innerste zu führen,
Den höchsten Augenblick für alle Zeit zu spüren.



Sonntag, 20. Juli 2014

Wanderers Herz

Einen Tag, einige Stunden nur zwischen den Feldern zu verbringen, wie sich der Staub bei jedem Schritt auf die Füße legt und den Blick nach oben zieht, zwischen die Obstbäume am Rand und vorbei an einzelnen Strohhügeln, die vom baldigen Herbst künden; noch nicht. Der Frühling hebt uns, der Sommer hält uns mit süßen Versprechungen am Boden, eh der Herbst uns die Sehnsucht zurückbringt. Das Jahr als Tag, den wir durchwandern müssen.


Wanderers Herz

Der Sommer hebt sich auf, grad über jene Weiten,
Wo bläuend aufgelöst in Weiß der Tag noch steht
Den Morgen zu erinnern, eh der Mittag geht --
Und lässt die Schwalben überm Ährenmeere gleiten,

Wo Silbergischt den Wind in sanften Wogen flieht.
Da ist kein Küstenband, kein Stein, an dem sie brechen,
Nur endlos Brudermeer aus artverwandten Flächen,
Das keinen Halt dem Wandrer zwischen ihnen gibt

Als jenes schmale Band, das ihm sein Blick bereitet';
Doch der verschwimmt im Licht, das in den Abend gleitet,
Das übers sonnenreife Grün ein Banner legt

Aus fahlem Rot und Blau, in das die Nacht sich kleidet.
Da klagt des Wandrers Herz, das für die Dämmrung schlägt:
Wär sie nur ewig!, Liebende, die ihn begleitet.



Dienstag, 13. Mai 2014

Vom Licht

Selten ist ein solcher Frühlingsmorgen: Schwer und feucht stehen die Bäume im Nebel, der gerade erst von der Sonne gelichtet wird und noch seinen schweren Duft, kühle Nachterinnerungen und Tageswünsche, durch das eben geöffnete Fenster in Schüben wehen kann, der schlaftrunkenen Müdigkeit zu wehren. Das ist ein paar Zeilen wert:


Vom Licht

Der erste Blick geht aus gelehntem Fenster
Hinaus ins Grün, das silberfeuchte Luft
Am Boden hell verschleiert; herber Duft
Dringt durch den Spalt, Aromanachtgespenster.

Die Stille ist mit keinem Sinn zu greifen:
Das Wasser schluckt den feuerbergend Klang,
Sie hält den Wind in seinem Wellengang;
Lässt Träume noch im Sonnenwandel reifen.

Dann hebt der Dunst sich golddurchbrochen auf,
Wirft alte Muster durch das Glas ins Zimmer,
Wo sie am Boden tanzen; matter Schimmer

Umgibt sie ganz im sonnenspiegelnd Lauf,
Und aus dem Dämmerschein des Morgens bricht
Im Innern wie im Äußern nun das Licht.