Mittwoch, 29. November 2017

Im Schattensaal

Ich lese gerade im Zug, auf dem Weg zur Arbeit, viele Gedichte. Brecht, George, Trakl. Sie inspirieren mich massiv. Als Reaktion auf Stefan Georges "Im Park" entstand diese kleine Atmosphäre, ein Zwiegespräch mit ihm.

Im Schattensaal
Nach Stefan Georges „Im Park“

Ein weiter Saal, durchs Fenster fällt das Licht,
Dem Staub in seiner Mitte Tanz zu schenken,
Um alle Blicke nur dorthin zu lenken,
Wo alter Geist zu deinem Geiste spricht.

Dann wachst du auf in diesem Schattensaal,
Erkennst die hohen, himmelsreifen Fenster
Und ihr Skelett, das feinere Gespenster
Als Muster auf den blanken Boden malt.

Doch ist kein Tisch, kein Stuhl um dich zu betten,
Was dort geschieht musst du im Stehen tun.
Kein Blatt Papier kann die Gedanken retten,

Die reif an deinem Dichterbaume ruhn.
Doch füllen sie mit jedem Blick dich ganz
Und führen dich, die Hände dir zum Tanz.

Sonntag, 26. November 2017

Deutscher Herbst

Nach den letzten Wahlen im September 2017, die das vermutete starke Wachstum rechtsnationaler Wähler bestätigten und mit dem Einzug ins Parlament quittierte, waren die Reaktionen vielfältig: meist resignierend, da abzusehen; an den Stellen, die darauf hätten reagieren können, gespielter Schock. Entsetzen in manch hoffnungsvollen Gemütern, Gleichgültigkeit bei ebenso Vielen.
Das folgende Gedicht entstand genau zu dieser Zeit.


Deutscher Herbst

Es rauscht im Baum, ein Wind fährt durch die Äste,
Erzittert noch die letzte, trübe Frucht;
Vorbei der Frühling für die stillen Gäste,
Die noch gehofft auf eine späte Flucht.

Dem blieb die Flucht in unerreichte Ferne,
Der früh den Sturm an seinem Duft erkannt;
Noch war der Himmel ihm so voller Sterne
Und ohne Schatten, ach, so manches Land.

Da nahm er Mut und das Papier zur Hand,
Die Menschen so von ihrem Wahn zu wecken,
Um noch den kleinsten Schatten zu entdecken
Und hat sich selbst nur bitterlich verbrannt.

Er sah sie nicht, die trügerische Ruhe,
Die laut in offnem Schweigen sich gefiel;
Im Trauermarsch verstummen viele Schuhe,
Verstummen weit vor ihrem letzten Ziel.

Auch er ist noch in Dunkelheit geblieben,
Ließ alle Hoffnung mit den Schiffen ziehen.
Auch er hat noch von Durchhalten geschrieben
Und Glücklichen, die in die Sonne fliehen.